Mein Schatten ein Kromfohrländer - Sind Kromfohrländer kontrollierend und wachsam?

Veröffentlicht am 18. Juni 2024 um 17:02

Baylie ist sehr aufmerksam, intelligent, hat ihre Liebsten gerne im Blick und möchte generell immer wissen, was um sie herum passiert. Damit verfügt Baylie über die besten Voraussetzungen, Bibliothekarin, Polizistin, Politesse, Streit-schlichterin und Aufseherin in einem zu sein – sofern wir sie denn ließen – das machen wir natürlich nicht! 

Alles immer im Blick haben zu wollen bzw. zu haben ist unheimlich stressig, und sie würde nicht zur Ruhe kommen. Das wiederum ist sehr gesundheitsschädlich. Aus diesem Grund vermeiden wir es, sie überhaupt in diese Rollen gehen zu lassen – was manchmal gar nicht so leicht ist und uns an der ein oder anderen Stelle erstmal bewusst werden musste. Was am Anfang irgendwie niedlich und amüsant wirkt, kann mit der Zeit ein Problem werden, vor allem bei Charakteren, die sowieso schon dazu neigen, kontrollierend und territorial zu sein.

Doch wie hat sich Baylies Bedürfnis nach Kontrolle und alles im Blick behalten zu wollen eigentlich bemerkbar gemacht?

Ich glaube, das „überall Hinterherlaufen“ haben Kromfohrländer als Eigenart nicht unbedingt für sich alleine gepachtet. Allerdings war der „Verfolgungswahn" schon sehr auffällig und Baylie brauchte mehrere Einladungen (heute manchmal immer noch), damit sie auf ihrem Platz liegen bleibt, wenn ich den Raum verlasse. Allerdings (was sehr Positives am Rande) war durch ihren „Verfolgungswahn“ der Rückruf niemals ein Thema und eines der Dinge, die wir mit ihr nie akribisch üben mussten. Das war definitiv ein Vorteil. 

Das „Hinterherlaufen“ klingt im ersten Moment nicht schlimm, ist es auch nicht unbedingt. Es sollte einem jedoch bewusst sein, dass der Hund das nicht macht, weil er uns ganz dolle lieb hat, sondern um ganz genau zu wissen, wo alle sind und was sie machen, und das ist Kontrolle und bedeutet Stress. Ein Decken- oder auch Boxtraining kann dem Hund hier wirklich helfen, sich zu entspannen und die Kontrolle abzugeben. Sobald das Kommando „Decke“ oder auch „Box“ gut bei Baylie funktioniert hat, hat man gemerkt, dass es ihr leichter fällt, an einem Ort schneller zur Ruhe zu kommen und auch entspannt zu bleiben. Ich kann mittlerweile neben Baylie beispielsweise Lachyoga oder Sport machen und sie schläft ganz entspannt in ihrer Box oder auf ihrer Decke.

Ganz nebenbei: Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich in unserem Arbeitszimmer und Baylie schläft ganz entspannt im Wohnzimmer auf dem Sofa (ich bin gerade mal kurz vorbeigelaufen und habe sie gesehen) – sie läuft mir also nicht mehr die ganze Zeit in der Wohnung hinterher.

Übrigens kann unterwegs der Ort der Entspannung auch gerne unser Schoß sein (den hat man immer dabei).

Wenn ich den Schoß nun schon erwähnt habe, dann schreibe ich kurz etwas zum Thema Abschalttraining. Wie zu Beginn erwähnt, ist Baylie sehr aufmerksam. Demnach kommt es durchaus vor, dass sie in neuen Umgebungen überreizt ist, in einen Schnupperrausch verfällt und sich unsicher verhält. Was ihr dann hilft, ist das bewusste Abschalten und Herunterfahren. Hierfür setzen wir uns mit ihr an den Rand des Geschehens, nehmen sie auf den Schoß, und wenn sie sich sichtlich entspannt hat, geht es geordnet weiter. Das funktioniert natürlich nicht ohne Training. Wir haben uns bewusst mit ihr als Welpe an belebte Orte gesetzt und gezielt Abschalttraining mit ihr gemacht. Heute hilft es ihr, das in stressigen Situationen besser herunterzufahren. Tatsächlich meldet sie sich auch, wenn ihr alles zu viel wird, und möchte dann auch bewusst auf den Schoß. Sie hat gelernt, dass sie sich bei Bedarf auf unseren Schoß verlassen kann (haha).

Positionen – darauf haben wir zu Beginn überhaupt nicht geachtet, weil uns nicht bewusst war, dass „derjenige, der vorne ist“, den Job hat, sich zu kümmern. Das heißt, dass wir Baylie ohne es zu wissen, und indem wir sie immer vor uns oder gerne auch auf erhöhten Positionen liegen lassen haben, den Job gegeben haben,  „die Gruppe“, und alles, was um uns herum geschieht, im Blick zu behalten und dementsprechend auch als Erstes darauf zu reagieren und sich zu kümmern. Ein anderer Hund mit einem anderen Charakter hätte die Aufgabe vielleicht nicht so ernst genommen, Baylie hingegen sehr.

Wie hat sich das im Alltag bemerkbar gemacht? Es gab einen Reiz (die Tür ist aufgegangen, es hat geklingelt, es ist jemand dazu gekommen, es ist jemand vorbeigegangen usw.) und Baylie hat unmittelbar darauf reagiert. Das stört einen so lange nicht, bis der Hund auf alles und jeden reagiert und sich nicht davon abhalten lässt – denn es war ja ihr Job, hinzugehen und es zu klären. Erst mit dem Start unserer Ausbildung zum Begleithundeteam wurde ich darauf aufmerksam gemacht, dass wir dadurch ein kontrollierendes Verhalten begünstigt haben und dieses über Positionen, sprich, der Mensch befindet sich immer vor dem Hund, leicht vorbeugen hätten können. Demnach haben wir ihre Liegeplätze nochmal neu angeordnet (sowohl privat als auch beruflich) und achten generell darauf, dass sie hinter uns liegt und, wenn sie reagiert, dass wir vor sie gehen und nicht von hinten mit ihr mit bellen.

Ich will nicht sagen, dass sie dadurch gar nicht mehr kontrollierend ist, aber es ist deutlich besser geworden, und das nur allein dadurch, dass sie nicht mehr vor uns liegt. Was ihr aber trotzdem wichtig ist, ist, dass wir sofort reagieren. Tun wir das nicht, also „klären“ wir die Situation nicht ausreichend, wird sie versuchen, es zu tun. Das möchten wir natürlich nicht.  

Nun ist es kein Geheimnis, dass in dem Kromfohrländer ein Terrier drin ist, und das macht sich auch nicht nur in der Jagd nach Mäusen, sondern auch in ihrem Territorialverhalten bemerkbar.

Baylie ist eigentlich absolut „geräuschunempfindlich“. Neben Baylie fällt ein Topf runter – absolut kein Problem, Silvesterfeuerwerk – kein Problem, ein plötzlicher Schuss im Wald – kein Problem, der Feuermelder geht an – kein Problem, aber bewegt sich etwas ums Haus – da muss erstmal dem „unaufmerksamen“ Leinenhalter signalisiert werden (sie schlägt an und bellt), dass da was ist und man doch bitte mal gucken soll, ob es sich um eine Gefahr handelt. Auch hier wieder kümmern wir uns nicht, tut sie es, und das möchten wir natürlich nicht (haha). Hier, denke ich, ist es wichtig, das früh im Keim zu ersticken, sonst wird aus einmal „Hallo, da ist etwas.“ Ein: „Hallo, hallo, hallo, hallo...“

Im Garten wie auch im Hof neigt sie natürlich dazu, bei anderen Hunden und Katzen zu bellen. Aber was erwartet man auch, wenn man einen Hund alleine in den Garten schickt? Das betrifft tatsächlich so einige Hunde und nicht ausschließlich die Kromfohrländer. Wer seinen Hund alleine in den Garten schickt, schickt ihn quasi zum Revierchecken und befördert ihn zum Aufseher. Die Konsequenz für uns war bzw. ist, dass unser Hund nicht alleine in den Garten darf und wir als Menschen eingreifen, wenn sie das Bedürfnis verspürt, etwas wegbellen zu wollen. Sobald sie auch hier wieder die Sicherheit hat, dass wir unser „Territorium“ im Blick haben, ist wieder alles gut und sie kann sich zurücknehmen und den Job abgeben.

Man kann also festhalten: Kontrolle ist ein wichtiges Thema und am besten hat der Mensch sie. Der Kromfohrländer, zumindest unsere Hündin, ist in manchen Situationen sehr unsicher und braucht Sicherheit und Stabilität. Umso wichtiger ist es, dass wir als ihre Leinenhalter diese Bedürfnisse so gut wie möglich erfüllen.