Baylie ist ein richtig toller Hund mit ganz viel Herz, Empathie und Feingefühl. Sie kommuniziert deutlich und legt auf eine gute, hündische Kommunikation Wert. Kleinste Nuancen und Verhaltensveränderungen nimmt sie sowohl bei Mensch und Hund wahr und auch ernst. Generell ist sie ein sehr höflicher Charakter, hält sich strikt an Grenzen und erwartet von ihrem Gegenüber das Gleiche. Werden ihre Grenzen und Signale, die sie frühzeitig an das Gegenüber übermittelt, nicht beachtet, dann scheut sie sich nicht, ihrem Gegenüber dies auch mitzuteilen. Hierbei ist sie lange sehr freundlich und subtil, erst beim vierten oder fünften Mal wird sie dann deutlicher und setzt ihre Stimme ein. Zurecht, Dinge, die man nicht mag, muss man nicht über sich ergehen lassen - auch unsere Fellnasen nicht.
Bis zu ihrem zweiten Lebensjahr konnten wir sie bedenkenlos überall mit hinnehmen und sie war absolut kompatibel mit allem, egal ob Mensch oder Tier (egal welches Tier). Die Sozialisierung erfolgte sowohl in der Hundeschule (eine gute Hundeschule und ein guter Welpenkurs sind Gold wert, wenn es darum geht, den eigenen Welpen andere Hunderassen in einer kontrollierten Umgebung kennenlernen zu lassen) als auch über ihre tiergestützten Einsätze sowie während der Ausbildung, wo sie häufigen Kontakt zu Menschen unterschiedlichen Alters erfahren durfte, was sie - entgegen der „typischen“ Rasse-beschreibung - recht menschenoffen gemacht hatte. Zudem haben wir im Alltag darauf geachtet, dass sie möglichst viele positive Kontakte zu Mensch und Tier hatte. Wir sind sogar mit ihr in den Zoo gegangen und haben bewusst mit ihr an belebten Orten, z. B. in öffentlichen Parkanlagen, Abschalttraining gemacht. Das alles hat dazu geführt, dass sie im Umgang mit Mensch und Tier sehr offen und souverän wurde.
Heute können wir sie immer noch mitnehmen, müssen aber deutlich mehr managen, damit es ihr gut geht. Baylies offene Art besteht zwar weiterhin, bei Hunden beschränkt sie sich momentan jedoch nur auf bekannte Hunde. Mit kaum bekannten oder fremden Hunden zeigt sie ihre Souveränität nur noch im Freilauf.
Jetzt fragt ihr euch bestimmt, was passiert ist.
Wir hatten insgesamt drei negative Erlebnisse mit anderen Hunden an der Leine. Als Junghund und einmal während der Pandemie wurde sie gebissen, und beim dritten Mal wurde ich angegriffen und sie musste hilflos zusehen. Diese drei Ereignisse haben sie nachhaltig negativ geprägt. Zunächst wirkte es auch so, als ob sie die Ereignisse gut bewältigt hatte. Die Folgen sind jedoch verzögert eingetreten, was uns im Grunde die Möglichkeit nahm, die Ereignisse gut und zeitnah aufzuarbeiten (ein Stück weit auch wegen der Kontaktbeschränkungen).
Der Umzug nach Marburg, so glaube ich zumindest, hat ihre Bedenken fremden Hunden gegenüber nochmal verstärkt; Baylie hat ihr gesamtes soziales Umfeld verloren und damit auch alle positiven Hundekontakte.
In Marburg haben wir uns dann eine tolle Hundetrainerin gesucht und arbeiten mit ihr an dem Thema Sicherheit und Hundebegegnungen.
Das war und ist nach wie vor wirklich harte Arbeit, sowohl für Baylie als auch für uns, und mittlerweile scheint es so, als ob das Training Früchte trägt. Je nach Tagesform kann Baylie wieder gut an fremden Hunden vorbeigehen, ohne sich dabei unwohl zu fühlen.
Mittlerweile hat Baylie auch wieder Freunde gefunden, mit denen sie ausgiebig tobt und schnuffelt. In der Regel reicht auch ein gemeinsamer Spaziergang aus, damit aus einem fremden Hund ein bekannter Hund wird.
Mit Kromfohrländern ist sie nochmal ganz anders, irgendwie vertrauter.
Vielleicht liegt das daran, dass Hunde derselben Rasse sich gut lesen können - denn auch ein fremder Kromfohrländer steht bei ihr nicht direkt unter Generalverdacht, ein Bösewicht zu sein. Alle 11 weiteren Hunde auf dem Bild hat Baylie an dem Tag das erste Mal in ihrem Leben getroffen und sie hat sich pudelwohl gefühlt.
Unabhängig davon glaube ich, dass Hunde sich manchmal auch einfach nicht „riechen“ können - es ist utopisch, von unseren Hunden zu erwarten, dass sie in jeder Lebenslage entspannt sind und alle Hunde oder auch jeden Menschen super toll finden.
Wenn wir ganz ehrlich sind, dann geht es uns als Mensch manchmal genauso. Wir haben nur im Gegensatz zu unseren Hunden mehr Möglichkeiten, mit der Situation oder dem Konflikt gut umzugehen.
Unsere Hunde haben nur begrenzte Möglichkeiten, einen Konflikt oder auch eine Bedrohung zu bewältigen:
- Freeze - Einfrieren,
- Flirt/Fiddle - Spielaufforderung/Übersprungshandlungen,
- Flight - Flucht und
- Fight - Drohen/Kampf
Und an der Leine fallen sogar noch einige Optionen weg.
Vielleicht kommen wir an diesem Punkt auf unsere Einstiegsfrage zurück: „Sind Kromfohrländer offen im Umgang mit anderen Menschen und Tieren?“
Ja, wenn der Hund gut sozialisiert wurde und viele positive Erfahrungen mit Mensch und Tier sammeln konnte, dann entwickelt er sich zu einem offenen und souveränen Hund, und zwar unabhängig von der Rasse.
Und falls warum auch immer irgendetwas an der ein oder anderen Stelle nicht geklappt hat, dann ist es möglich, das ggf. auch mit professioneller Hilfe aufzuarbeiten - das funktioniert.
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